Ein Raum zum Heilen – Achtsame Klänge inmitten des Großstadtlärms
(von Julia Lautzschmann)

 

Freitagabend, Haltestelle Köln Hansaring. Dicht gedrängte Körper pressen sich stöhnend aus der Straßenbahnlinie 12. In der Luft der Geruch von Schweiß, Urin und Feuchtigkeit. Bierflaschen klirren auf dem Boden und untermalen den kölschen Klangteppich aus Zischen, Grölen und Pfeifen - Stress pur. Am Ende der Rolltreppe öffnet sich ein grauer Himmel. Dicke Regentropfen prasseln auf die umherirrenden Kölner. Eine Linksabbiegung, dann vorbei an der kargen Baustelle. Eine unscheinbar wirkende, mit Milchglas versehende Fassade taucht auf. Der „Raum für Resonanz“.

 

Die Tür öffnet sich. Mit einem Schlag ist die Hektik des Hansarings vorbei. Graue Tristesse weicht orange-gelbem Kerzenlicht. Eine Mischung aus Sandelholz-Räucherstäbchen und ätherischen Ölen verwöhnt die von Großstadtgerüchen geplagte Nase. Helle, weiche Lammfellmatten liegen kreisförmig im Raum verteilt. Darauf Kissen, Wolldecken und eine Augenmaske.
„Schön, dass du da bist“, erhellt die warme Stimme von Aimée Falkson den Raum. „Möchtest du ein Glas Wasser oder eine Tasse Tee?“ David Jones arrangiert inmitten der Lammfellmatten goldglänzende Klangschalen auf einem Teppich. Hinter ihm hängt ein schwerer, bronzefarbener Gong. „Ich spiele seit Jahrzehnten Schlagzeug und wollte schon immer einen Gong haben. Irgendwann habe ich mir diesen Wunsch erfüllt“, erzählt er mit leuchtenden Augen und einem Lächeln auf den Lippen. „Erst hing er im Wohnzimmer und sah nur schön aus. Jetzt kann ich ihn endlich benutzen.“ Aimée und David lachen.
Die beiden sind die Besitzer des „Raum für Resonanz“. Ein Familienbetrieb, David ist Aimées Stiefvater. Zwei Menschen, die vor Positivität nur so sprühen. Menschen, denen man ohne zu zögern jedes Geheimnis anvertrauen würde. Bei ihnen wäre es sicher.
„Wir wollten einen Raum schaffen, in dem man Heilung und Geborgenheit finden kann und der alle Sinne anspricht. Ein Ort für Seelenarbeit“, erklärt Aimée. Die beiden haben Achtsamkeit zu ihrem Beruf gemacht – eine Praxis, die Ruhe und Entspannung im Alltag verspricht. „Das Leben wird immer schneller. Es ist wichtig, dass es innerhalb des Trubels Räume der Entschleunigung gibt. Und Achtsamkeit ist es ein gutes Werkzeug, um aus diesem Chaos zurück in den Moment zu kommen“, so Aimée. „Wenn man die Weltlage schon nicht ändern kann, dann kann man wenigstens im eigenen Umfeld Angebote machen, um ein bisschen zu sich zu kommen. Das kann man auch ein Stück weit als Friedensarbeit sehen“, ergänzt David. „Das ist wirklich schön“, lächelt Aimée ihn an.
Während die einen Meditation, Yoga oder Atemübungen bereits fest in die Routine integriert haben, stempeln die anderen Achtsamkeit als wirren Esoterik-Kram ab. „Es ist ein schmaler Grat zwischen Achtsamkeit und Esoterik, sozusagen eine esoterische Gratwanderung“, erklärt David. Er verweist auf den therapeutischen und wissenschaftlich fundierten Anspruch des Raums für Resonanz. Ausbildungen zum Yogalehrer, Tanztherapeuten oder zur Systemischen Aufstellung finden sich unter den beiden. Seit kurzem auch die des Klangtherapeuten. Jetzt möchten sie das neu gewonnene Wissen und den Gong endlich der Öffentlichkeit präsentieren: Das erste Sound Bath findet statt. Ein wortwörtliches Klangbad, das mit Klangschalen, Gongs, Glockenspielen oder Rain Sticks zu tiefer körperlicher Entspannung führen soll. „Der Körper besteht größtenteils aus Wasser und es ist, wie wenn man einen Stein ins Wasser wirft, dass diese Klang-Schallwellen wieder andere Wellen anstoßen und man so ein bisschen in Schwingungen kommt“, erläutert David. „Man muss sich aber auch ein Ticken darauf einlassen“.

Nach und nach treten die achtsamkeitssuchenden Kursteilnehmer aus der Kälte in die Entspannungsoase. Aimée und David begrüßen herzlich, es gibt Umarmungen und Yogi-Tee. In Socken und mit dampfenden Tassen in den Händen machen es sich die zehn Teilnehmenden auf den Fellmatten bequem. Die meisten von ihnen sind Frauen mittleren Alters, hip und doch divers. „Ich bin ein sehr auditiver Mensch und kann beim Sound Bath einfach abschalten und im Moment ankommen. Eine Art Stress Release“, erzählt ein junger Mann in Jogginghose. Er empfiehlt es, sich nah an den Gong zu legen. „Dann spürt man die Schwingungen besonders gut.“
Nach einer kurzen Begrüßung bittet Aimée, es sich auf der eigenen Matte gemütlich zu machen. Zielstrebig und routiniert nehmen die Teilnehmenden die präferierte Position ein. Mit einer weichen Rolle unter den Knien liegen sie eingehüllt und zugedeckt im Kreis der Entschleunigung. Die Augen sind geschlossen. Das 60-minütige Sound Bath beginnt mit einer geführten Atemübung. „Tief einatmen, halten, und ausatmen...“, erläutert Aimée, während sie selbst tiefe, hörbare Atemzüge nimmt. Bis auf das Ein- und Ausatmen der Teilnehmenden ist es nun mucksmäuschenstill im Raum. Im Wechselspiel zwischen Aimée und David erklingen plötzlich von links und rechts erholsame Klänge und formen eine Melodie. Tiefe, gedämpfte Töne der Klangschalen erden die Körper im Raum. Ruhe breitet sich aus. Dann ertönt der erste Gongschlag. Die Schallwellen durchströmen die Körper. Das muss der Stein im Wasser sein, von dem David erzählt hat. Stärker und stärker nehmen die dumpfen Schläge des Gongs den Raum ein und sorgen für ein tiefes Bad der Entspannung. Das helle Klimpern eines Windspiels elektrisiert die Sinne. Es scheint immer näher zu kommen, zieht mal links, mal rechts am Ohr vorbei. Dann wieder Stille.
„Ihr könnt nun langsam wieder im Raum ankommen“, ertönt Aimées ruhige Stimme. Ein leises Rascheln geht durch die Runde. Schlaftrunken richten sich die Teilnehmenden gemächlich auf, einige reiben sich müde und sichtlich entspannt die Augen. Der Körper fühlt sich leicht und gelöst an, wie nach einem heißen Saunagang. „Das sollten wir öfter machen“, tauschen sich zwei junge Frauen beim letzten Schluck Tee aus. Glücklich bedanken sich Aimée und David bei den Kursteilnehmern. Nächste Woche bieten sie das nächste Sound Bath an.
Die Schuhe werden angezogen, die Tür nach draußen geöffnet, der Raum für Resonanz hinter sich gelassen. Der Duft der Räucherstäbchen hängt noch in der Nase. Baustelle, Nässe und Chaos erscheinen plötzlich ein wenig leichter. Für einen kurzen Moment ist Entspannung eingekehrt. Ein kleines bisschen Achtsamkeit inmitten des Großstadtlärms.